Stellungnahme | 12. November 2020
BVEG Stellungnahme zum Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen in Niedersachsen
BVEG Stellungnahme zum Entschließungsantrag der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen in Niedersachsen vom 19.10.2020: „Für den Schutz von Klima, Umwelt und Gesundheit: Erdöl und Erdgas in der Erde lassen, Förderende einleiten, unnötige Kosten verhindern!“ (Drucksache 18/7723)
Der Entschließungsantrag enthält Forderungen und Feststellungen zur Rolle von Erdgas und Erdöl in der Energiewende und zu den Aktivitäten der Förderindustrie, die eine sachliche wie auch eine politische Einordnung aus Sicht unserer Industrie erfordern.
1. Erdgas und Erdöl wird auch bei einer erfolgreichen Energiewende noch Jahrzehnte benötigt
Der Wunsch nach einem schnellen Ausbau von Energie aus Wind und Sonne kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass in Deutschland nur rund sieben Prozent des Energiebedarfs aktuell aus Wind- und Sonnenstrom gedeckt werden. Erdgas und Erdöl decken dagegen rund 60 Prozent ab. So wichtig die Dekarbonisierung ist: Die Forderung nach einem schnellen Ausstieg belegt noch nicht dessen zeitnahe Machbarkeit. Dabei unterstützen wir den konsequenten Ausbau von erneuerbaren Energien und der dazugehörigen Infrastruktur. Unbeantwortet bleibt aber die Frage, wie der Energiebedarf insgesamt gedeckt werden kann.
Realistisch ist davon auszugehen, dass Erdgas noch für Jahrzehnte benötigt wird, insbesondere zur Sicherung der Stromversorgung bei sogenannten Dunkelflauten ohne Wind und Sonne. Auch der Wärmemarkt wird sich – gerade im Bestandsbau – nicht kurzfristig auf Strom („Wärmpumpe“) umstellen lassen. Erdöl hat neben seiner Bedeutung für den Mobilitätssektor eine wichtige Aufgabe als Rohstoff für die Industrie, z.B. als Grundstoff für Leichtbaumaterialien, die Pharmaindustrie oder die chemische Industrie.
2. Die Förderung von Erdgas und Erdöl in Niedersachsen …
a. … steht dem Ausbau von erneuerbaren Energien nicht im Weg
Investitionen in Erdgas und Erdöl verzögern nicht die ambitionierte Energiewende. Es ist nicht bekannt, dass in Deutschland Investitionen in erneuerbare Energien ausgeblieben wäre, weil stattdessen in Erdgas oder Erdöl investiert worden wäre. Im Gegenteil: die Investitionen in Erdgas und Erdöl sichern weiterhin die Versorgungssicherheit für die von den Menschen und der Wirtschaft benötigte Energie.
b. … führt nicht zu einer Verlängerung des „fossilen Zeitalters“
Konsequent wird auch die Geschwindigkeit der Energiewende nicht durch Investitionen in die Erdgas- und Erdölförderung in Deutschland verlangsamt. Wie schnell die Klimaneutralität gelingt, hängt nicht an der Erdgas- und Erdölproduktion, die in Deutschland ohnehin vergleichsweise gering ist. Sie hängt vielmehr von einer Vielzahl von Faktoren ab, die den Umbau der Energielandschaft ermöglichen, z.B. von der Geschwindigkeit des Ausbaus der erneuerbaren Energien und der notwendigen Infrastruktur, technologischen Entwicklungen, regulatorischen Eingriffen, steigender Energieeffizienz und geänder-tem Verbraucherverhalten. Kurz: den Menschen im Land muss Zugang zu klimaneutraler Energie gegeben werden, und zwar verlässlich und zu erschwinglichen Preisen. Entsprechend wird dann auch die Verwendung von Erdgas und Erdöl zurückgehen.
3. Ein Ende von Aufsuchungs- und Fördergenehmigungen erhöht nur Importe von Erdgas und Erdöl – und das mit einer schlechteren CO2-Bilanz („carbon leakage“)
Die Menschen in Deutschland verbrauchen nicht weniger Erdgas und Erdöl, wenn hier nicht mehr gefördert wird. Ohne die heimische Förderung würden lediglich die Importe aus Norwegen, Russland, Qatar oder USA steigen. Dies würde zur Verlagerung von bislang inländischer Wertschöpfung, erhöhter Importabhängigkeit und aufgrund des langen Transportwegs für zusätzlich importiertes Erdgas auch noch zu einer schlechteren CO2-Bilanz führen. Fürs Klima ist so nichts erreicht; im Gegenteil.
4. Die Förderung von Erdgas und Erdöl erfolgt umweltverträglich.
Die heimische Förderung unterliegt höchsten Sicherheitsstandards sowie einer engmaschigen Überwachung. Vorfälle wie der in Emlichheim werden konsequent aufgearbeitet. Gemeinsam mit der Wasserwirtschaft erarbeitet die Förderindustrie weitere Verbesserungen für die Durchführung und Überwachung der Aktivitäten in Wasserschutzgebieten.
5. Fracking in Deutschland ist klar geregelt.
Die Bundesregierung hat im Jahr 2016 – nach langen und eingehenden Debatten – ein umfangreiches Regelungspaket zum Fracking in Deutschland verabschiedet. Weiterer Regelungsbedarf ist aus Sicht der Industrie nicht gegeben, zumal derzeit keine Anträge zur Durchführung von Fracks seitens der Industrie vorliegen. Die offenen Fragen rund um Fracking im Schiefergas wurden durch das Wasserhaushaltsgesetz der Expertenkommission zugewiesen.
6. Der Bau von Erdgasinfrastruktur (Förderanlagen, Gaskraftwerke, LNG-Terminals, Leitungen) unterstützt dringend notwendige Versorgungssicherheit.
Die niedersächsische Energielandschaft vertraut noch für Jahrzehnte auf Erdgas. Im Laufe der Jahre wird zunehmend biogenes Erdgas („Bio-Erdgas“) oder Wasserstoff das konventionelle Erdgas ersetzen. Neben der heimischen Förderung ist gasbezogene Infrastruktur unabdingbar für die zunehmend klimaneutrale Energielandschaft. Erdgasleitungen, LNG-Terminals oder Erdgasspeicher werden in Zukunft auch Wasserstoff aufnehmen können. Technologie, Know-how und Infrastruktur im Land zu halten ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für den Umbau der Energielandschaft. Wer im Zuge der Abschaltung von Atom- und Kohlekraftwerken auch den Neubau von Gaskraftwerken verhindern will, setzt die Versorgungssicherheit aufs Spiel. Dies gilt umso mehr in einer Welt, in der auch der Wärme- und Transportsektor zunehmend mit Strom versorgt werden wird. Es ist kein Fall bekannt, in dem ein Gaskraftwerksbetreiber eine Entschädigung erhalten hätte, weil das Kraftwerk nicht benötigt wurde. Im Gegenteil: das modernste Gaskraftwerk in Deutschland (Irsching IV) hat über Jahre nicht produziert, weil Kohlestrom billiger war.
7. Eine starke Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde stärkt auch die Industrie und das Vertrauen in deren Aktivitäten
Niedersachsen bleibt aus den genannten Gründen gut beraten, eine umweltverträgliche Förderung von Erdgas und Erdöl auch in Zukunft zu erhalten. Das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) spielt hierbei eine wichtige Rolle, um im besten Interesse der Bürger im Land die ordnungsgemäße Genehmigung und Durchführung der Aktivitäten der Förderindustrie sicherzustellen. Soweit hierzu weitere Mittel erforderlich sind, unterstützen wir ein solches Vorgehen ausdrücklich, da es das Vertrauen in die Behörde und letztlich auch in die Förderindustrie stärkt. Die vorgeschlagene organisatorische Zuordnung des LBEG zum Umweltministerium begründen die Antragsteller mit dem Ausstieg aus der Förderung. Dafür besteht wie dargestellt kein Anlass. Eine Notwendigkeit zur Verlagerung der Zuständigkeit innerhalb der Ressortverteilung der Landesregierung ist schon deshalb nicht erkennbar.
Wir regen daher an, diesen Entschließungsantrag abzulehnen.
Kontakt:
Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie e.V. (BVEG)