Stellungnahme | 20. Januar 2025
BVEG-Stellungnahme zum Entwurf des Artikelgesetzes zur IED-Umsetzung in deutsches Recht
Als Wirtschaftsverband ist der BVEG im Lobbyregister für die Interessenvertretung gegenüber dem Deutschen Bundestag und der Bundesregierung unter der Registernummer R001164 zu finden sowie im europäischen Transparenzregister für die Interessenvertretung gegenüber den EU-Institutionen unter der Registernummer 152508741853-07 eingetragen.
Die EU-Richtlinie über Industrieemissionen (IED) ist grundlegend neu gefasst worden und muss bis zum 1. Juli 2026 in deutsches Recht umgesetzt werden. Das BMUV hat am 28.11.2024 den Referentenentwurf für ein Artikelgesetz und den Referentenentwurf für eine Mantelverordnung zur IED-Umsetzung vorgelegt.
Entgegen der Ankündigung einer 1:1-Umsetzung geht der Entwurf in vielen Teilen über eine 1:1-Umsetzung der EU-Richtlinie über Industrieemissionen hinaus, führt zu neuer Bürokratie sowie zusätzlichen Kosten für die Betreiber.
Zum Mantelgesetz
Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG)
Genehmigungsbedürftige Anlagen und Anlagen nach Industrieemissionsrichtlinie voneinander abgrenzen.
Die Anforderungen des BImSchG sollten nicht für alle genehmigungsbedürftigen Anlagen, sondern nur für IED-Anlagen erweitert werden, um nicht über eine 1:1-Umsetzung der IED hinauszugehen. Dazu gehören insbesondere
a. die Zweckbestimmung im §1 BImSchG,
b. die Betreiberpflichten in §5 BImSchG,
c. außerdem sollte in der Verordnungsermächtigung des § 7 BImSchG zwischen IED- und Nicht-IED Anlagen differenziert werden.
zu (a): In § 1 Abs. 2 BImSchG des Entwurfes wird die Zweckbestimmung des BImSchG geändert. Wie sich aus der Begründung ergibt, soll damit Art. 1 Abs. 2 IED in deutsches Recht umgesetzt werden. Dies ist keine 1:1 Umsetzung der IED. Für diese ist der gesamte § 1 Abs. 2 auf Anlagen nach der IED zu beschränken.
§ 1 Absatz 2 sollte daher wie folgt geändert werden:
„Soweit es sich um genehmigungsbedürftige Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie handelt, dient dieses Gesetz auch…“
zu (b): Die in § 5 ergänzten Betreiberpflichten dienen der Umsetzung von Art. 11 Buchstabe f) und fa) der IED. Eine Ausweitung der Betreiberpflichten auch auf Nicht-IED-Anlagen ist keine 1:1 Umsetzung der IED und sollte geändert werden. Die Betreiberpflichten des BImSchG sollten deutlicher differenzieren zwischen IED-Anlagen und Nicht-IED-Anlagen. Es ist europarechtlich nicht notwendig und auch sachlich nicht geboten, jegliche Verschärfungen der Grundpflichten des Betriebs von IED-Anlagen auch auf Nicht-IED-Anlagen zu erstrecken.
Der BVEG schlägt zur besseren Differenzierung vor, in § 5 einen neuen Abs. 1a einzufügen, der die neuen Grundpflichten nur für die IED-Anlagen regelt und außerdem auch die Grundregelungen zum Umweltmanagementsystem enthält.
Zu (c): Entsprechend den obigen Ausführungen ist damit in der Verordnungsermächtigung nach § 7 Abs. 1 Nummer 2a und 2b zu differenzieren zwischen IED-Anlagen und sonstigen genehmigungsbedürftigen Anlagen. Zudem darf sich die Änderung in § 7 Abs. 1 Nummer 3 („Umweltleistung“) nur auf IED-Anlagen beziehen.
Betreiberpflichten für IED- und für Nicht-IED Anlagen sollten deutlicher abgegrenzt werden. Die Verordnungsermächtigung zu weiteren Betreiberpflichten – wie z. B. Umweltleistungswerte – sollten sich nur auf IED-Anlagen beziehen und nicht zusätzlich auf Nicht-IED-Anlagen. Ansonsten wäre dies keine 1:1-Umsetzung der IED-Richtlinie.
Beschleunigung von Genehmigungsverfahren und Bürokratieabbau
Die Bemühungen der Bundesregierung, die Genehmigungsvorgaben zu vereinfachen und zu beschleunigen, sollten auch im Rahmen dieser Änderung des BImSchG eine Fortführung finden, auch um die Klimaziele Deutschlands rechtzeitig zu erreichen.
Dazu gehören insbesondere
(a): die Ausgestaltung eines fakultative Erörterungstermins und
(b): die Einführung einer Stichtagsregelung.
Zu (a): Eine europarechtliche Verpflichtung zur Durchführung eines Erörterungstermins besteht nicht. Daher ist der deutsche Gesetzgeber frei darin, Inhalt und Reichweite von Erörterungsterminen zu regeln. Ein Erörterungstermin sollte bei allen Verfahren, nicht nur bei Verfahren zur Modernisierung von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien (§16b Abs. 5 BIm-SchG), zukünftig nur auf Antrag des Vorhabenträgers bzw. Antragstellers durchgeführt werden. Eine solche „Wahlmöglichkeit“ ist im bestehenden Verfahrensrecht bereits etabliert (z. B. Durchführung eines Änderungsgenehmigungs- statt eines Anzeigeverfahrens, § 16 Abs. 4 BIm-SchG; Entfallen der Öffentlichkeitsbeteiligung gem. §16 Abs. 2 BImSchG; „freiwillige“ UVP gem. § 7 Abs. 3 UVPG).
Der Projektträger sollte frei entscheiden können, da er mit seiner Investitionsentscheidung das Risiko des Verfahrens und damit auch das Risiko möglicher Verzögerungen durch Klagen trägt. Ziel eines Erörterungstermins ist es, dass die Genehmigungsbehörde durch die Erörterung mit den Einwendern weitere Informationen sowie einen differenzierten Blickwinkel auf den Sachverhalt erhält und so die Belange besser abwägen kann. Unsere Erfahrung zeigt aber, dass viele Einwendungen bereits so detailliert sind, so dass ein Informationsgewinn durch den Erörterungstermin selten eintritt, auch nehmen nicht alle Einwender diesen wahr. Es zeigt sich auch, dass der Informationsgewinn für die Einwender und weitere Betroffene bei Erörterungsterminen nicht besonders groß ist, da durch die Auslegung der Unterlagen bereits umfassend über das Vorhaben informiert wird.
Zu (b): In § 10 Absatz 6a BImSchG sollte zur Verfahrensbeschleunigung eine Stichtagsregelung eingefügt werden.
Antragsunterlagen müssen bisher bis zum Zeitpunkt der Genehmigung, also der Erteilung des Bescheides, aktuell gehalten werden. Ändern sich im Zuge des Verfahrens die gesetzlichen Vorgaben, muss nachgebessert werden. Eine Stichtagsregelung könnte auf den Zeitpunkt der Erklärung der Vollständigkeit der Antragsunterlagen gelegt werden und damit das zeitaufwendige Nachreichen von Unterlagen aufgrund von Rechtsänderungen verhindern. Hierdurch würden auch sich ggf. aus den Änderungen ergebende Neuauslegungen der Unterlagen aus rechtsformalen Gründen vermieden. Die Beschleunigungs-Novelle des BImSchG hat diesen wichtigen Punkt nicht für alle Anlagen aufgegriffen. Dagegen hat der Beschleunigungspakt von Bund und Ländern einen klaren Gesetzgebungsauftrag formuliert (Rn. 150ff):
„Änderungen der Sachlage während eines Genehmigungsprozesses und daraus notwendige Anpassungen sollen nicht mehr zu Verfahrensverzögerungen führen. Stichtage, mit denen die Sach- und Rechtslage sowie der Stand der Technik festgelegt werden, nach denen das weitere Verfahren insgesamt zu beurteilen ist, können zeitaufwendige Aktualisierungen verhindern. Bund und Länder werden daher in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen für Verfahrensgegenstände eine Stichtagsregelung im Planungs- und Genehmigungsverfahren einführen, soweit dies zweckmäßig ist, und mit einer Rechtsfolge, die europarechtlich zulässig ist. Sofern erforderlich wird der Bund auf eine entsprechende Änderung des EU-Rechts hinwirken. Zunächst wird der Bund diesbezüglich u.a. die bestehende Stichtagsregelung in § 10 Abs. 5 S. 3 des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) anpassen und als maßgeblichen Zeitpunkt die Erklärung der Vollständigkeit der Antragsunterlagen festlegen. Zudem wird § 10 Abs. 5 S. 2-3 auf alle BImSchG-Anlagen ausgeweitet; die bisherige Beschränkung entfällt“.
Ersatzloses Streichen des § 27 BImSchG und der 11. BImSchV
Die Verordnung (EU) 2024/1244 vom 24. April 2024 über die „Berichterstattung über Umweltdaten von Industrieanlagen…“ umfasst die Anlagen der Erdöl -und Erdgasindustrie vollumfänglich. Damit müssen für alle Anlagen der Erdöl -und Erdgasindustrie zukünftig jährlich Daten über Freisetzungen in Luft, Wasser und Boden sowie die Verbringungen außerhalb des Standortes von gefährlichen und nicht gefährlichen Abfällen berichtet werden. Diese Berichtspflicht der EU-Verordnung geht sowohl vom Umfang der zu berichtenden Umweltdaten als auch von der Häufigkeit über die Berichtspflichten nach der Verordnung über Emissionserklärungen (11. BImSchV) hinaus, da diese nur alle 4 Jahre die Abgabe eines Berichts über die von der Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen fordert. Auch die Anzahl der Anlagen, für die Umweltdaten berichtet werden müssen, unterscheidet sich, da eine Emissionserklärung gem. 11. BImSchV nur für bestimmte, im Sinne des BImSchG genehmigungsbedürftige Anlagen abgegeben werden muss. Im Unterschied dazu müssen nach den Vorgaben der EU-Verordnung Umweltdaten für alle Anlagen abgegeben werden, unabhängig davon, ob es sich im Sinne des BImSchG um genehmigungs- oder nicht genehmigungsbedürftige Anlagen handelt.
Mit der Verordnung (EU) 2024/1244 und den in dieser beschriebenen teilweise neuen und umfangreichen Berichtspflichten für die Anlagen der Erdöl -und Erdgasindustrie kann die Berichtspflicht nach der 11. BImSchV entfallen. So wird verhindert, dass es zu einer Doppelberichterstattung kommt, bei der unter Umständen aufgrund des unterschiedlichen Anwendungsbereiches für einzelne Standorte, die sowohl genehmigungsbedürftige als auch nicht genehmigungsbedürftige Anlagen umfassen können, verschiedene Umweltdaten berichtet werden würden.
Das Streichen des § 27 BImSchG und der 11. BImSchV wäre ein großer Beitrag zur Verringerung der Berichtspflichten, der aber nicht zu einer Verschlechterung der Datenlage führen würde, da die Erhebung und Meldung von Daten auf Grundlage der EU-Verordnung häufiger und detaillierter erfolgen wird.
Beibehaltung der bisherigen Bußgeldvorschriften
§ 62 Abs. 5 (neu) BImSchG sollte wieder gestrichen werden. Diese Verschärfung ist europarechtlich nicht erforderlich und auch sachlich nicht geboten. Er geht erheblich über eine 1:1-Umsetzung hinaus.
Ein großer Teil der genannten Tatbestände betrifft überhaupt keine IED-Anlagen oder es sind Tatbestände, die nicht unter die IED fallen (z.B. § 62 Abs. 1 Nr. 4a betrifft Anlagen nach Störfallrecht).
Im bestehenden deutschen Sanktionsrecht im Umweltstrafrecht und im Ordnungswidrigkeitenrecht sind bereits jetzt schon ausreichende und einschneidende finanzielle Sanktionsmechanismen sowohl für natürliche Personen als auch für juristische Personen definiert, die die von der IED geforderte Abschreckungswirkung auch für „schwerste Verstöße“ erzielen.
Im Hinblick speziell auf juristische Personen/Personenvereinigungen sieht das OWiG bereits in § 29a die Einziehung des Werts von Taterträgen vor. Dies entspricht der Forderung von Art. 79 Abs. 2 IED, dass der wirtschaftliche Nutzen aus dem Verstoß genommen wird. Zudem sei auf § 17 Abs. 4 OWiG verwiesen, in dem es heißt: „Die Geldbuße soll den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, übersteigen. Reicht das gesetzliche Höchstmaß hierzu nicht aus, so kann es überschritten werden.“
Spiegelbildlich sei auf die umfangreichen Einziehungsvorschriften des Umweltstrafrechts in den §§ 73 ff. StGB hingewiesen, insbesondere auch auf den § 74e StGB, der ausdrücklich die Zurechenbarkeit von Handeln der Organe bzw. Organvertreter einer juristischen Person/Personenvereinigung in diesen Fällen regelt.
Änderung des Bundesberggesetzes (BBergG)
Zu § 57f Abs. 1 Satz 1 BBergG
§ 57f Abs. 1 bezieht sich in seinen Regelungsinhalten auf die Gewinnung oder Aufbereitung von bergfreien und grundeigenen Bodenschätzen. Im Gegensatz dazu lautet der Wortlaut der IED „Gewinnung einschl. Aufbereitung vor Ort“. Wir befürworten hier, die Formulierung der IED zu übernehmen. Diese impliziert gerade nicht, dass auch Aufbereitungsanlagen, die in keinem räumlichen Zusammenhang mit dem Bergbaubetrieb stehen, von den Regelungen der IED erfasst werden.
Zudem sollte in Satz 1 eine Klarstellung erfolgen, dass sich die Regelungen des § 57f sowie daran anknüpfende Regelungen nicht auf bergbauliche Abfallentsorgungsanlagen beziehen. Diese Anlagen unterliegen nicht dem Anwendungsbereich der IED.
Zu § 57f Abs. 2 und Abs. 3 BBergG
Die Regelungen zur Öffentlichkeitsbeteiligung (§ 57f Absatz 2 Nr. 1 und 2) beziehen sich undifferenziert auf alle sonstigen Arten von Betriebsplänen mit Ausnahme von Rahmenbetriebsplänen (vgl. Abs. 1). Hier ist eine Klarstellung erforderlich, dass sich die genehmigungsbezogenen Vorgaben in § 57f einschl. der Öffentlichkeitsbeteiligung ausschließlich auf den Betriebsplan beziehen, in dessen Zulassungsverfahren die Emissions- und Umwelt-bezogenen Voraussetzungen des Vorhabens geprüft und erstmalig geregelt werden. In der Regel sind das neben Rahmenbetriebsplänen vorhabenbezogene Sonderbetriebs- und Abschlussbetriebspläne. Die turnusmäßige Fortschreibung von Hauptbetriebsplänen sollte hiervon ausgenommen werden, ebenso die Änderung von Hauptbetriebsplänen als Folgeänderung eines vorhabenbezogenen Betriebsplanes (z. B. Rahmenbetriebsplan).
Die Veröffentlichung (§ 57f Absatz 3) stellt einen erheblichen administrativen Aufwand dar, insbesondere weil davon auszugehen ist, dass für jeden Plan der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sichergestellt werden muss. Dies dürfte in der Regel zu einer zweifachen Versionierung der Pläne und der Antragsunterlagen führen.
Zu § 57f Abs. 2 Nr. 4 BBergG
§ 57f Abs. 3 regelt die öffentliche Bekanntmachung. Zur weiteren Verfahrenserleichterung und zur Stärkung der Digitalisierung des Genehmigungsverfahrens sollte § 57f. Abs. 3 Satz 4 und Abs. 4 BBergG dahingehend angepasst werden, dass keine physische Auslegung der Unterlagen mehr erfolgt, sondern nur noch eine digitale Auslage. Etwas anderes sollte nur gelten, wenn der Vorhabenträger – analog zu § 10 Abs. 1 Satz 5 9. BImSchV – der Veröffentlichung im Internet widerspricht und sich die Behörde für eine physische Offenlage als alternative Beteiligungsart entscheidet.
Der BVEG unterstützt in vollem Umfang die Stellungnahmen des BDI zum Artikelgesetz und der Mantelverordnung zur IED-Umsetzung in deutsches Recht.
Hannover, 16.01.2025
Kontakt:
Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie e.V. (BVEG)