Stellungnahme | 27. März 2024
BVEG-Stellungnahme zur Verbändeanhörung: Eckpunkte der Bundesregierung für eine Carbon Management Strategie und Referentenentwurf eines KSpTG
Die Carbon Management Strategie der Bundesregierung, zu der jetzt erste Eckpunkte veröffentlicht wurden, ist ein wichtiger Schritt für Deutschland zur Erreichung der Klimaziele. Sie kommt spät, aber noch rechtzeitig, wenn wir von einer gesetzgeberischen Implementierung in diesem Jahr ausgehen.
Jetzt muss es darum gehen, Tempo aufzunehmen und die Eckpunkte so schnell wie möglich in gesetzgeberische Maßnahmen umzusetzen. Anders wird es nicht gelingen, in Deutschland bereits ab 2030 relevante Mengen von CO2 abzuscheiden und zu speichern bzw. weiter zu nutzen, wie es die meisten der ausgewerteten Studien für die Erreichung der Klimaziele als notwendig erachten.
- London Protokoll und bilaterale Erklärungen
Ein sehr gutes Signal ist, dass die Ratifizierung des 2009 Amendment zu Artikel 6 des London – Protokolls geplant ist, damit Offshore-CO2-Transport ins Ausland möglich wird. Da ein zeitnahes Inkrafttreten dieses Amendments jedoch nicht zu erwarten ist, sollte ergänzend auch eine Übergangslösung geschaffen werden, indem bilaterale Erklärungen abgegeben und eine Notifikation bei der IMO abgegeben wird (provisorische Anwendbarkeit nach Resolution LP 5 (14) von 2019). - CO2-Speicherung
Positiv hervorzuheben ist, dass nunmehr auch potenzielle Speicherkapazitäten in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone erschlossen werden sollen. Nur so kann Deutschland seiner Verantwortung als größter CO2-Emittent Europas gerecht werden und den Weg frei machen für die Erschließung von lokalen Lagerstätten, die große Vorteile gegenüber weiter entfernten Speicherstätten aufweisen werden. Die Schaffung von Kapazitäten in Deutschland bedeutet für die Emittenten einen kostengünstigeren Zugang zu Speichern im Vergleich zum Export von CO2 über lange Strecken.Es sind aber weitere Änderungen am Rechtsrahmen für die CO2-Speicherung erforderlich. Für einen schnellen Hochlauf sind das insbesondere verfahrensbeschleunigende Maßnahmen. So würde es z.B. helfen, wenn die Pläne aus der Bund-Länder-Konferenz im November 2023 vollständig umgesetzt werden, z.B. die Schaffung einheitlicher und vereinfachter Standards für die Anwendung artenschutzrechtlicher Vorgaben oder Stichtagsregelungen. Zudem brauchen wir eine raumordnerische Berücksichtigung und am besten Begünstigung von CO2-Speichern in der AWZ. Die derzeitige Fassung des KSpTG sieht demgegenüber für Speicherprojekte im Zweifel einen nachgeordneten Rang ggü. bestimmten Vorhabengruppen vor (§ 13 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 KSpTG -E).Für die auf Wunsch der Bundesländer ggf. mögliche Onshore-Speicherung sollte Deutschland Entwicklungen etwa in Dänemark im Auge behalten, wo Speicherlizenzen für voraussichtlich sehr preisgünstige Onshore-Speicher demnächst vergeben werden. - CO2-Abscheidung
Die Definition eines breiten Anwendungsbereichs für Carbon Capture sowohl für nicht vermeidbare, schwer vermeidbare und aktuell nicht wirtschaftlich vermeidbare Emissionen als auch für die Anwendungsmöglichkeit der CO2-Abscheidung für Gaskraftwerke und für Biomasse sind begrüßenswert. Grundsätzlich ermöglicht Technologie-Offenheit eine kosteneffiziente und beschleunigte Dekarbonisierung – allerdings lässt der Entwurf offen, ob einige Bereiche durch CCS überhaupt dekarbonisiert werden können, wenn der Staat von vornherein keine finanzielle Unterstützung zur Verfügung stellen will.Dennoch ist es aus Kostengründen eher unwahrscheinlich, dass Carbon Capture bei Gaskraftwerken eine wesentliche Rolle spielen wird, wenn es keine staatliche Förderung gibt – am ehesten wird das der Fall sein, wenn Gaskraftwerke mit anderen, größeren Emittenten ein Cluster bilden. Um das Ziel, so wenig CO2 wie möglich in die Atmosphäre zu entlassen, nicht zu gefährden, sollte eine integrierte Betrachtung von H2 und CCS-Strategie angestrebt werden, indem H2 Ready Gaskraftwerke auch mit blauem Wasserstoff beliefert werden, solange nicht genügend grüner Wasserstoff zur Verfügung steht. Der Einsatz von blauem Wasserstoff ist kosteneffizient, zügig umsetzbar und politisch vorgesehen (siehe H2-Strategie). Blauer H2 bringt dabei eine Reihe von ökonomischen und ökologischen Vorteilen mit sich und sollte Teil der Carbon Management Strategie sein. Sollte aber der Wasserstoffhochlauf nicht wie politisch vorgesehen gelingen, ist die Möglichkeit von CCS an dieser Stelle zumindest ein „Auffangnetz“, um unnötige CO2-Emissionen zu verhindern. - CO2-Transport
Dass es künftig ein geeignetes Regelwerk geben wird, nach dem CO2-Leitungen onshore und offshore zugelassen werden können, ist zu begrüßen. Auch ist es eine gute Nachricht, dass mit den Verweisen ins EnWG bereits einige verfahrenserleichternde Maßnahmen vorgesehen sind.Für einen schnellen Hochlauf der CO2-Wirtschaft in Deutschland reicht das aber nicht aus. Entscheidend wird die Entwicklung eines CO2-Kernnetzes sein in dem – ähnlich wie bei der Wasserstoffstrategie – Festlegungen zum Bedarf getroffen werden. Nur so lässt sich eine kosteneffiziente CO2-Infratstruktur entwickeln. Darüber hinaus brauchen wir weitere gesetzgeberische Maßnahmen, damit die anstehenden Genehmigungsverfahren zügig abgeschlossen werden können. Ein erster Schritt wäre auch hier, wenn die Pläne aus der Bund-Länder-Konferenz im November 2023 umfassend umgesetzt werden. Deutschland sollte dem Gedanken des „Net-Zero-Industry-Acts“ voll Rechnung tragen und weitere Maßnahmen vorsehen, wie z.B. die CO2-Infrastruktur als im „überragenden öffentlichen Interesse“ einzustufen – mit prioritärem Status im Genehmigungsverfahren. Auch Verfahrenserleichterungen für die Umsetzung von naturschutzrechtlichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen – vergleichbar mit LNG – sind in der Praxis sehr wirkungsvoll.Des Weiteren müssen CO2-Pipelines in der Offshore-Raumordnung stärker berücksichtigt werden. Das gilt auch für die Landesraumordnung, die für die küstennahen Bereiche und die Anlandung relevant ist.Durch die gesetzliche Systematik zwischen KSpTG und EnWG ist der gewünschte Bezug zum DVGW-Regelwerk nun hergestellt. Es fehlt allerdings noch das untergesetzliche Regelwerk (in Parallele zur Gashochdruckleitungsverordnung) und damit z.B. auch eine Zuweisung an geeignete Sachverständige.Für die Regulierung von CO2-Transportleitungen muss unbedingt beachtet werden, dass es zu keiner Ex-post Regulierung (insb. bzgl. Zugang, Rendite) kommt (z.B. durch öffentlich-rechtlichen Vertrag/Investitionsschutz). Wenn eine direkte Risikoübernahme (Null Risiko) ausgeschlossen ist, dann muss ein expliziter Zugang zu öffentlicher Projektförderung und Finanzierungsinstrumenten ermöglicht werden, damit eine private Projektfinanzierung aufgestellt werden und die Vorhaben gegen „sunk cost in infrastructure projects“ abgesichert werden können, insbesondere vor dem Hintergrund einer noch nicht-existierenden value chain. Schließlich senkt dies auch die Tarife und ist für Speicher genauso wichtig. - Carbon-Contracts-for Difference
Bedauerlich ist, dass wichtige Impulse zum Hochlauf der Wertschöpfungskette – wie etwa Carbon-Contracts-for Difference Verträge für Emittenten – erst spät nach Inkrafttreten einer gesetzlichen Regelung implementiert werden sollen; die Förderung von CC(U)S-Technologien ist nicht Teil des ersten Förderaufrufs der Klimaschutzverträge und Einzelheiten zur Förderbarkeit sind noch nicht festgelegt. Zudem sollte der maximale Zeitraum zwischen Zuteilung und Inbetriebnahme der Contracts-for-Difference-Verträge auf einen für CCD-Projekte realistischen Zeitraum ausgeweitet werden, 36 bzw. maximal 48 Monate sind hier zu kurz angesetzt. Insgesamt ist nicht erkennbar, wie die aktuell bestehenden Fördertöpfe auf deutscher und europäischer Ebene, den auch im europäischen Net-Zero-Industry-Act gewünschten Hochlauf auf 50 Mio. t CO2 Einspeicherkapazität bis 2030 in der EU ermöglichen können.
Kontakt:
Johanna Brandtner