Fragenkatalog der BNetzA / Wasserstoff - BVEG
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Stellungnahme | 3. September 2020

#Positionen & Stellungnahmen#Wasserstoff

Fragenkatalog der BNetzA / Wasserstoff

BVEG Stellungnahme zum Fragenkatalog der BNetzA / Wasserstoff.

Vorbemerkung
Der BVEG vertritt unter anderem die Interessen der Erdgas- und Erdöl-Förderindustrie und der Gas-Speicherindustrie. Unsere Bewertungen fokussieren sich daher auf die Speicherbetreiber direkt oder indirekt betreffenden Punkte.

Der BVEG unterstützt das Bestreben, in Deutschland eine zunehmend Wasserstoff-basierte Energielandschaft zu entwickeln. Dies ist klimapolitisch notwendig, um überall dort die Dekarbonisierung voranzutreiben, wo eine Elektrifizierung nicht möglich oder nicht sinnvoll erreichbar ist. Die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung geht insoweit in die richtige Richtung.

Der Erfolg dieser Strategie wird massiv davon abhängen, ob es gelingt, einen schnellen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft zu ermöglichen – was auf allen Stufen der Wertschöpfung erhebliche Investitionen erfordert: von der Produktion großer Mengen, über den Aus- und Umbau der notwendigen Infrastruktur bis hin zu den Anpassungen bei unterschiedlichen Anwendungen. Dabei muss auch frühzeitig die Frage beantwortet werden, ob Wasserstoff isoliert genutzt oder dem Erdgas beigemischt werden soll, oder ob zur Optimierung des Klimaeffektes beide Vorgehensweisen parallel entwickelt werden. Das ist eine zentrale Entscheidung, die die Festlegung technischer, politischer und wirtschaftlicher Eckpunkte erfordert. Das ist bislang nicht erfolgt.

Nicht zuletzt internationale Entwicklungen – also die Bereitschaft und Fähigkeit in anderen Volkswirtschaften, große Mengen Wasserstoff zu produzieren (und zu exportieren!) wird maßgeblich sein für die Beantwortung der Frage, in welcher Form sich in Deutschland die Wasserstoff-Industrie entwickeln wird.

Die Diskussion der regulatorischen Rahmenbedingungen steht in diesem frühen Stadium beinahe naturgemäß in den Kinderschuhen, da auch die Wasserstoffstrategie des BMWi kaum Festlegungen zur Ausgestaltung trifft, sondern viele Fragen zum jetzigen Zeitpunkt noch offenlässt. Umso begrüßenswerter ist die Initiative der BNetzA, eine Marktsicht zu den offenen Fragen zu erhalten.

Die Fragen der BNetzA nach der erwarteten Entwicklung des Wasserstoffmarktes sind allerdings zu diesem Zeitpunkt insoweit noch nicht zufriedenstellend beantwortbar, da genau diese Entwicklung abhängt von zentralen politischen Festlegungen wie zum Zielbild der Wasserstoff-Verwendung oder der Wasserstoff-Produktion („Farbenlehre“, Importe). Diese Festlegungen haben zum aktuellen Zeitpunkt einen größeren Einfluss auf die weitere Entwicklung als die Debatte über technische Restriktionen oder Grenzwerte/Quoten, die im weiteren Verlauf intensiv diskutiert werden müssen.

Es ist zwingend, dass eine ergebnis- und technologieoffene inhaltliche Diskussion auch über technische und kommerzielle Randbedingungen geführt wird, bevor politische Festlegungen getroffen werden. Bislang wird beispielsweise eine Diskussion über die volkswirtschaftlichen Kosten der verschiedenen Optionen für die Wasserstoff-Entwicklung allzu niederschwellig geführt. Diese zu treffenden Festlegungen werden dann die Basis für die notwendige Regulierung legen.

1. Regelungen zur Beimischung von Wasserstoff in Erdgasnetze
Technisch möglich sind sowohl ein reines Wasserstoffnetz als auch eine Beimischung von Wasserstoff in die Erdgasnetze. In welche Richtung sich die Wirtschaft entwickeln wird, hängt im großen Maße von den Abnehmern und deren Bedürfnissen ab. Im Falle von isolierten Wasserstoffnetzen sind entsprechende Wasserstoffspeicher gleichermaßen zu errichten, entweder als neu errichtete Speicher oder durch Umrüstung von bestehenden Erdgasspeichern, soweit das technisch möglich und wirtschaftlich sinnvoll ist. Die Frage nach einer Förderung und Regulierung des Wasserstoffnetzes stellt sich nur in Verbindung mit einer integrierten Planung unter Berücksichtigung und adäquater Förderung der Wasserstoff-Speicher. Es müssen zwingend zusätzliche Regelungen geschaffen werden, die sowohl die Verträglichkeit für Wasserstoff-Zumischungen bei sensiblen Endverbrauchern wie auch bei Netz und Speichern berücksichtigen. Diese Quoten sind unter Berücksichtigung der technischen Machbarkeit und den Grenzwerten von Netz und Speicher zu entwickeln. Bezüglich unterschiedlicher Speichertypen kann es im Einzelfall erforderlich sein, durch entsprechende technische Anlagen den Wasserstoff-Anteil vor der Einspeisung zu reduzieren. Um belastbare Aussagen zu möglichen Quoten oder Grenzwerten geben zu können, bedarf es zunächst technischer, geologischer und wirtschaftlicher Untersuchungen. Für den Speicherbetrieb werden derzeit Untersuchungen durchgeführt. Erste Einschätzungen liegen voraussichtlich im ersten Quartal 2021 vor.

2. Ausweitung der Nutzung von Wasserstoff in der Wirtschaft
Die Skalierbarkeit dieser Industrie und die Geschwindigkeit der Skalierung sind wesentliche Erfolgsfaktoren der Wasserstoffwirtschaft. Wenn das nicht gelingt, wird die Wasserstoffindustrie eine Nische bleiben und es werden ein paar kleine (und klimapolitisch und volkswirtschaftlich irrelevante) Inselnetze kreiert. Wenn Deutschland eine belastbare Wasserstoffindustrie etablieren möchte, muss es in großen Maßstäben denken und wird schon aus Gründen der Versorgungssicherheit auf die überregionale und grenzüberschreitende Vernetzung von Wasserstoffnetzen setzen und idealerweise auch Beimischungen ins Erdgasnetz ermöglichen. Dies setzt dann auch eine entsprechende Bereitschaft zur Netzplanung (staatlich moderiert durch BNetzA) und Investitionsbereitschaft voraus, die entlang der Wertschöpfungskette (Erzeugung, Speicherung, Verteilung, Verbrauch) angereizt werden muss. Aber hierfür fehlen aktuell noch wesentliche Voraussetzung, was die Ausgestaltung des Wasserstoffmarkes angeht. Die häufig anzutreffende These im politischen, dass Wasserstoff nicht im Wärmemarkt oder im Transportsektor zu verwenden sei, da dort elektrische Lösungen existierten, ist einer der politisch motivierten Standpunkte, der dringend zu überprüfen ist, und zwar sowohl technisch als auch volkswirtschaftlich: er unterstellt simplifizierend, dass jede Heizung und jedes Auto elektrisch betrieben werden könne, was mit dieser Skalierung schon auf Grund der dafür notwendigen Infrastruktur (und deren Kosten) zur Zeit nicht realistisch ist. Die Potentiale, die die Wasserstoff-Beimischung zum Erdgas für CO2-Reduzierungen hat, sind erheblich. Sie ermöglichen im Wärme- und Transportsektor bei vergleichsweise geringen Umrüstkosten eine erhebliche CO2-Reduzierung. Entsprechend sind Erhöhungen von Grenzwerten oder die Einführung von Quoten interessante Optionen, die jeweils auf die technische Machbarkeit geprüft werden müssen. Wettbewerb wird sich zum einen zwischen den Wasserstoff-Lieferanten, aber auch zwischen Wasserstoff zu alternativem Brennstoff insbesondere Erdgas entwickeln. Als neuartiger Brennstoff mit großen Vorinvestitionen wird Staat/Wettbewerbsregulierung eingreifen müssen, um die Entwicklung zu ermöglichen. Quoten, CO2-Preise, Absicherung von Investitionen sind nur einige der in Betracht kommenden Instrumente.

3. Einführung einer Regulierung für reine Wasserstoffnetze
Klare und langfristig verlässliche regulatorische Rahmenbedingungen müssen geschaffen werden, die es den Akteuren entlang der Wertschöpfungskette ermöglicht, ihre wirtschaftlichen und politischen Risiken langfristig einzuschätzen und entsprechend zu agieren. Das ist eine zentrale Voraussetzung, wenn ganze Wertschöpfungsketten mit erheblichem Kapitaleinsatz aus dem Boden gestampft werden sollen – ohne das gesicherte Vertrauen in Regulierung (und Politik!) wird das erforderliche Risikokapital nicht gefunden. Dass es sich um internationale Wertschöpfungsketten handeln wird/muss, muss hierbei zusätzlich berücksichtigt werden.

4. Umfang einer möglichen Regulierung für reine Wasserstoffnetze
Bei der Umsetzung von Regulierungen ist zu beachten, dass es einen fundamentalen Unterschied bedeutet, eine existierende Infrastruktur zu regulieren, als über Regulierung die notwendigen Anreize für große Neuinvestitionen zu setzen, die sich nur über Jahrzehnte amortisieren (ausgenommen entsprechende langfristige Subventionierungsmaßnahmen, die aber vermutlich nicht geplant sind). Die Historie des Aufbaus der Erdgasindustrie seit den 1960/1970er-Jahren mag hier als Beispiel dafür dienen, welche Hürden von Gesetzgeber und Regulierer zu nehmen sind, um langfristig funktionierende internationale Lieferketten aufzubauen. Der Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur erfordert eine integrierte Planung, die gleichberechtigt sowohl Netz als auch Speicher berücksichtigt und eine erhöhte Investitionsbereitschaft sicherstellt.

5. Regelungen zu Netzanschluss, Netzzugang und Netzausbau von Wasserstoffnetzen
Der notwendige schnelle Hochlauf setzt unter anderem voraus, dass nicht allein grüner Wasserstoff zu unterstützen ist (kein Einspeisevorrang). Wer den Erfolg dieser Technologie sucht, muss jede Form klimaneutralen Wasserstoffs (blau, türkis, etc.) unterstützen. Im Hochlauf wird auch auf den sog. grauen Wasserstoff aus Dampfreformierung, bei dem CO2 nicht sequestriert werden kann, nicht gänzlich verzichtet werden können. Nur Technologieoffenheit bei den Herstellungsverfahren eröffnet eine ernsthafte Chance für den Markthochlauf. Importe sind auf lange Sicht ebenfalls erforderlich. Auf absehbare Zeit (mindestens zehn Jahre) wird es allerdings weder die Mengen noch die Infrastruktur geben, die grünen Wasserstoff aus anderen Regionen in großen Mengen für Deutschland zur Verfügung stellt, ganz abgesehen vom Käuferwettbewerb um diese Menge innerhalb Europas. Die Entwicklung des europäischen Erdgasmarktes zeigt, dass auch die Schaffung von virtuellen Handelspunkten eine ausreichende Liquidität und die technische Möglichkeit der beliebigen Verfügbarmachung innerhalb der virtuellen Handelszone voraussetzt – dies wird viele Jahre dauern.
Die Erdgasspeicher-Betreiber sind wesentlicher Erfolgsfaktor für eine funktionierende Wasserstoffwirtschaft. Dies gilt sowohl für den Fall reiner Wasserstoffnetze als auch im Falle von Beimischungen von Wasserstoff ins Erdgasnetz:

a) Netzeffizienz: Das Erdgasnetz und die Speicher wurden ursprünglich gemeinsam entwickelt und ausgelegt, um eine hohe Netzauslastung und -effizienz ganzjährig zu erhalten. Bei der Entwicklung eines Wasserstoff-Netzes gilt dies umso mehr, da infolge der geringeren Energiedichte von Wasserstoff der Flexibilitätsbedarf noch höher ausfällt. Um die Erzeugung von Wasserstoff aus volatilen Erneuerbaren Energien wirtschaftlich zu gestalten, ist eine jederzeit gesicherte Abnahmemöglichkeit erforderlich, die nur durch Speicher gewährleistet wird. Von Beginn an ist daher eine Netzentwicklung unter Berücksichtigung hinreichender Speicherkapazitäten sicherzustellen.
b) Versorgungssicherheit: Nicht nur die Absicherung von kurzfristigen wie auch von saisonalen Schwankungen ist essenziell, sondern auch die von Engpässen in der (inter)nationalen Versorgung ist über Speicher in der Nähe des Verbrauchs wirtschaftlicher und sicherer abbildbar als über überdimensionierte Transportleitungen. Große industrielle Wasserstoff-Verbraucher sind darauf angewiesen, dass ihre Versorgung jederzeit gesichert ist.
c) Qualitätssicherung: im Falle der Beimischung von Wasserstoff ins Erdgasnetz müssen Verbraucher darauf vertrauen können, dass das Gemisch eine stabile Qualität hat und die Anlagensicherheit gewährleistet ist. Auch hier sind Wasserstoff-Speicher, aber auch Erdgasspeicher, die beigemischten Wasserstoff aufnehmen, von großer Bedeutung.

6. Mögliche Finanzierungsvarianten von Wasserstoffnetzen
Der Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur als wesentlicher Bestandteil der Energiewende und Dekarbonisierung aller Energiesektoren ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die entsprechend finanziert und nicht durch einzelne Akteure quersubventioniert werden sollte. In jedem Falle muss sichergestellt sein, dass die den Speicherbetreibern entstehenden Umrüstungs- oder Neubaukosten wieder erwirtschaftet werden (können). Vor der Etablierung von Regulierungsmaßnahmen muss geklärt sein, ob marktwirtschaftliche Mechanismen möglich sind und ausreichen oder ob das Regulierungsregime einen gesicherten Return erlaubt. Diese wichtige Festlegung kann robust erst getroffen werden, wenn andere Vorfragen zum Aufbau der Wasserstoffwirtschaft geklärt sind, so dass die Marktteilnehmer – Lieferanten wie (industrielle) Verbraucher – ihre Chancen und Risiken einschätzen können. Wenn keine langfristige Investitionsbereitschaft über Marktmechanismen erzeugt werden kann, wird eine Regulierung wie bei den Transportnetzen eine der Optionen sein.

Hannover, 3. September 2020

 

Kontakt:

Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie e.V. (BVEG)

Schiffgraben 47
30175 Hannover
T +49 511 12172 - 0 F +49 511 12172-10


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