Bürger fragen uns… | 16. August 2024
CCUS: CO2 abscheiden, nutzen oder speichern?
Weichenstellung für eine klimaneutrale Zukunft
Mit dem neuen Klimaschutzgesetz hat sich Deutschland zur Treibhausgasneutralität bis 2045 verpflichtet. Dies lässt sich erreichen, indem CO2 vermieden, fossile Energie durch erneuerbare ersetzt und CO2-Emissionen aus der Atmosphäre entfernt werden. Doch auch nach 2045 wird Deutschland insbesondere durch energieintensive Industriezweige schwer oder nicht vermeidbare CO2-Emissionen aufweisen. Studien zur Klimaneutralität gehen davon aus, dass es erforderlich ist, CO2 abzuscheiden und anschließend zu nutzen oder in tiefliegenden geologischen Gesteinsschichten zu speichern – bekannt auch unter den Abkürzungen CCS, CCU und CCUS. Aber was ist CCS und warum ist es so wichtig? Wie funktioniert es? Und wie sicher ist es, CO2 zu speichern? In diesem Beitrag gehen wir diesen Fragen nach.
CCS, CCU, CCUS – was ist das?
CCS ist die Abkürzung für Carbon Capture and Storage, auf Deutsch: Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoffdioxid. Grundidee des Verfahrens ist es, das klimaschädliche CO2 gar nicht erst in die Atmosphäre entweichen zu lassen. Dazu wird es bei Industrieprozessen abgeschieden, abtransportiert und auf Dauer dort gespeichert, wo es herkommt: in der Erde, in tiefliegenden geologischen Gesteinsschichten.
CCU steht für Carbon Capture and Utilization. Dies ist die Abscheidung von CO2 und dessen anschließende industrielle, rohstoffliche Nutzung. Diese erfolgt entweder direkt (z.B. CO2 als Kohlensäure in Getränken, als Kühlmittel, in der Medizin) oder indirekt als Zwischenprodukt und im Rahmen weiterer Verfahren (z.B. zur Produktion von Düngemitteln oder künstlichen Fasern für Kleidung). Ganz im Sinne der Kreislaufwirtschaft.
CCUS umfasst beide Ansätze (CCS und CCU) in einer Abkürzung, man könnte genauso gut auch CCU/CCS schreiben.
Warum ist CCS so wichtig?
Bei der CCS-Technologie geht es darum, CO2-Emissionen der Industrie aus der Atmosphäre zu entfernen. Sie ermöglicht es, nicht zu vermeidende Emissionen von Industrieanlagen dauerhaft zu speichern. Die Schwerindustrie verursacht etwa 20 Prozent der gesamten CO2-Emissionen in der EU. Ziel ist es, diese Emissionen möglichst zu vermeiden: häufig gibt es allerdings kaum bzw. keine anderen technischen Optionen, sie zu reduzieren. Im großen Maßstab umgesetzt, können CCS-Projekte dabei helfen, energieintensive Industrien zu dekarbonisieren, also frei von Kohlenstoff zu machen, indem dieser dauerhaft gespeichert wird. CCS spielt also eine wichtige Rolle bei der Umsetzung globaler Klimaziele. Experten gehen davon aus, dass Klimaneutralität ohne CCS schwer zu erreichen oder sogar unmöglich ist.
Wie und wo wird CO2 gespeichert?
Wie funktioniert CCS?
Werden fossile Energieträger wie Kohle, Erdgas oder Erdöl verbrannt, entsteht unter anderem Kohlendioxid. Aber auch bei der Zementproduktion entsteht beispielsweise CO2, das in die Atmosphäre entweicht. Vereinfacht dargestellt, wird beim Einsatz des CCS-Verfahrens das CO2 zuerst von anderen Begleitstoffen gereinigt, meistens verflüssigt und schließlich zu der Lagerstätte transportiert. Dort wird es mithilfe von Injektionsbohrungen in den Untergrund gepumpt und dauerhaft gespeichert. Gegenwärtig sind drei Abscheidungsverfahren in der Anwendung:
- Das CO2 wird nach dem Verbrennen aus dem Rauchgas abgeschieden (Nachbearbeitungsverfahren).
- Das CO2 wird aus dem fossilen Brennstoff vor dem Verbrennen abgeschieden (Vorverbrennungstechniken).
- Beim Oxyfuel-Verfahren verbrennt der Brennstoff mit reinem Sauerstoff und einem Teil des Rauchgases, das dem Verbrennungsprozess wieder zugeführt wird.
Wie sicher ist es, CO2 zu speichern?
CO2 wird nur in sorgfältig erkundeten und geologisch geeigneten Standorten gespeichert. Und natürlich werden die Speicher ordnungsgemäß nach dem Stand der Technik betrieben. Für die Langzeitsicherheit sind besonders die geologischen Bedingungen des Untergrundes relevant. Aufgrund der bestehenden natürlichen Kohlenwasserstoff-Lagerstätten ist bekannt, dass geologische Gesteinsformationen in der Lage sind, Gase und Flüssigkeiten über viele Millionen Jahre sicher zurückzuhalten. Und um das Risiko auszuschließen, dass das CO2 nach dem Einlagern wieder entweicht, werden individuelle Monitoringkonzepte zur Überwachung der Integrität entwickelt und angewandt.
Beim Einlagern von CO2 in den Untergrund ist die technische Expertise für die Sicherheit entscheidend. Hier profitiert Deutschland von seiner jahrzehntelangen Erfahrung in der Erdgas- und Erdölproduktion sowie im Betreiben von Erdgasspeichern. Für viele Experten aus der Forschung und Wissenschaft, der Exploration, Produktion und Erdgas-/Erdölspeicherung ist CCS eine sichere, zuverlässige und bewährte Technologie, die weltweit bereits an zahlreichen Standorten eingesetzt wird.
Ist die CCS-Technologie genügend erprobt?
Ja. Die Verpressung, also das Verbringen von CO2 in Untergrundgesteine, wird bereits seit Jahrzehnten erforscht und praktisch erprobt, u.a. im Rahmen der Erdgasförderung. Norwegen wendet die CCS-Technologie bereits seit Jahren an. So werden seit den 1990er Jahren in Sleipner in der norwegischen Nordsee bei der Produktion von Kohlenwasserstoffen jährlich rund 1 Million t CO2 dem Prozess entzogen und wieder in den Untergrund verpresst. In Snøhvit wurden seit 2008 insgesamt 4,7 Millionen t CO2 abgeschieden und eingelagert. Das CCS-Projekt Greensand in der dänischen Nordsee soll zukünftig Speicherkapazitäten von bis zu 8 Millionen t CO2 pro Jahr ermöglichen – mehr als 13 Prozent der gesamten jährlichen CO2-Emissionen Dänemarks. Weltweit sind zahlreiche CCS-Projekte in Planung, in Bau oder bereits in Betrieb.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit CCS-Anlagen gebaut werden und in Betrieb gehen können?
Alle Aspekte der CCS-Kette sind durch deutsches Recht geregelt. Das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) regelt insbesondere das Abscheiden von CO2. Das Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (KSpG) beschreibt Vorgaben zu Transport und Speicherung und setzt damit die Richtlinie der EU zur geologischen Speicherung von Kohlendioxid um. Seit 2012 sind nach dem KSpG Erforschung, Erprobung und Demonstration der CO2-Speicherung in begrenztem Ausmaß zugelassen. Die Bundesländer können laut KSpG gesetzlich bestimmen, wo Erprobung und Demonstration zulässig sind. Zulassungen von CCS-Vorhaben erfordern Planfeststellungsverfahren, die an strenge Umweltanforderungen gebunden sind. Betreiber von CCS-Projekten sind verpflichtet, umfangreiche Maßnahmen- und Monitoringkonzepte zu erarbeiten und einzusetzen.
Gefährdet das gespeicherte Kohlendioxid das Grundwasser?
Das oberflächennahe Grundwasser zur Trinkwasser-Gewinnung ist von der CO2-Speicherung nicht betroffen. Das CO2 wird in deutlich tieferen Gesteinsformationen in über 800 m Tiefe gespeichert. Die Horizonte dieser Speicher sind von den sehr viel höheren Grundwasserlagen durch mehrere, mächtige, undurchlässige Gesteinsschichten getrennt, die das CO2 ganz natürlich zurückhalten. Oberflächennahes Grundwasser wird nur dann gefährdet, wenn ungewollt Verbindungswege zu den Speichern entstehen. Diese können durch geologische Störungen oder durch Leckagen hervorgerufen werden. Um diese Risiken zu minimieren oder ganz auszuschließen, werden umfangreiche Vorprüfungen sowie Überwachungskonzepte genutzt.
Kann bei CCS-Speichern CO2 entweichen und wie gefährlich ist das für Mensch, Tier und Umwelt?
Bei CCS-Speichern sind im Normalbetrieb für Mensch, Tier und Umwelt keine negativen Auswirkungen zu erwarten. CO2 ist ungiftig, nicht brennbar und nicht explosiv. Eine zu hohe Konzentration in der Atemluft kann aber zu Gesundheitsproblemen führen. Gesundheitliche Beeinträchtigungen könnten theoretisch durch den unwahrscheinlichen Fall von Leckagen entstehen, durch die Kohlendioxid in die Umgebung freigesetzt wird. Welche Auswirkungen das hat, hängt vor allem von der Konzentration des CO2 in der Atemluft oder am Meeresboden ab. Meist vermischt sich CO2 schnell mit der Umgebungsluft und ist in diesem verdünnten Zustand ungefährlich. Das zeigen die natürlichen CO2-Austritte, wie sie z.B. in der Eifel vorkommen.
Können das Speichern und Verpressen von Kohlendioxid Erdbeben auslösen?
Wie bei alle Untergrundaktivitäten, die den Druck beeinflussen, besteht ein Risiko, dass Erdbeben ausgelöst werden können. Doch handelt es sich meist um kaum spürbare Mikrobeben. Das Erdbeben-Risiko durch CCS wird kontrovers diskutiert. Fest steht: CCS-bedingte Spannungsänderungen im Untergrund sollten im Vorfeld mittels numerischer Modelle berechnet werden. Injektionsraten und Maximaldrücke der Speicher lassen sich so bemessen, dass die Integrität der Speicherstätten nicht gefährdet ist und das Erdbeben-Risiko auf ein Minimum reduziert wird.
Werden die CCS-Speicher überwacht?
Ja. Die Anforderungen an die Überwachung von CCS sind durch die Europäische Richtlinie zur CO2-Speicherung (2009/31/EG) und die Emissionshandelsrichtlinie (2009/29/EC) geregelt. Es gibt viele Methoden, um den tiefen geologischen Untergrund, die Erdoberfläche sowie Grund- und Oberflächenwässer zu überwachen. Betreiber müssen unter Berücksichtigung der standortspezifischen Bedingungen einen Überwachungsplan für den vorgesehenen CCS-Speicher erstellen, der schon zur Beantragung des Speichers vorzulegen ist.
Welche Bedeutung hat CCUS für das Erreichen der Klimaziele?
Nach Angaben der International Energy Agency (IEA) sind derzeit rund 45 kommerzielle Anlagen in Betrieb, die Kohlenstoffabscheidung, -nutzung und -speicherung in industriellen Prozessen, der Brennstoffumwandlung und der Stromerzeugung einsetzen. Obwohl die Zahl der CCUS-Projekte steigt, reicht dies laut IEA nicht aus, um die Klimaziele zu erreichen.
Darüber hinaus hat die CCS-Technologie eine besondere Bedeutung für die Wasserstoffproduktion: Wasserstoff gilt als Energieträger der Zukunft. Bei seiner Nutzung entstehen keine Verbrennungsabgase und keine direkten lokalen CO2-Emissionen. Ein idealer Energieträger ist klimaneutral erzeugter grüner Wasserstoff aus erneuerbaren Energien. Dieser steht jedoch nicht in ausreichender Menge zur Verfügung, um den hohen Wasserstoffbedarf in Deutschland zu decken. Schneller verfügbar ist dagegen blauer Wasserstoff, der aus Erdgas hergestellt wird. Zwar ist Erdgas ein fossiler Energieträger, aber das bei der Produktion von blauem Wasserstoff entstehende CO2 wird mit Hilfe von CCS-Technologien abgeschieden und dauerhaft gespeichert. Blauer Wasserstoff in Verbindung mit CCS kann somit zum Gelingen der Energiewende beitragen.
Welchen Stellenwert hat CCS in Deutschland?
Deutschland hat sich mit seinem Klimaschutzgesetz dazu verpflichtet, bis 2045 netto treibhausgasneutral zu werden. Die dafür notwendigen Projekte sind auf entsprechende politische Rahmenbedingungen und Klimaschutztechnologien angewiesen. Erneuerbare Energieträger zu forcieren, ist ein Weg, den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase zu reduzieren – reicht aber nicht aus, um Klimaneutralität zu erreichen. Dazu ist der Ausbau von CCS notwendig.
Die Forschung zu CCS-Technologien wird staatlich gefördert. In einem deutschen CCS-Pilotprojekt westlich von Berlin wurden von 2008 bis 2013 insgesamt 67.000 t Kohlendioxid in einem salinen Aquifer in ca. 650 m Tiefe gepumpt. Das Projekt hat gezeigt, dass eine sichere und dauerhafte geologische Speicherung von CO2 möglich ist. Eine konkrete kommerzielle Anwendung gibt es in Deutschland bisher jedoch nicht, weil das Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (KSpG) die Speichermenge stark begrenzt und die Bundesländer nach dem KSpG die CO2-Speicherung ablehnen können. Um CCUS in Zukunft auch in Deutschland zu ermöglichen, wird das KSpG derzeit überarbeitet. Als wichtigen Schritt zur Erreichung der Klimaziele hat sich Deutschland zu einer Carbon-Management-Strategie verpflichtet. Die Bundesregierung folgt damit den Beschlüssen der UN-Klimakonferenz in Dubai 2023 (COP28) sowie den Empfehlungen internationaler Gremien wie dem Weltklimarat IPCC, der Internationalen Energieagentur (IEA), aber auch unseren europäischen Nachbarn.
Ein im März 2024 veröffentlichtes Papier beschreibt die Eckpunkte der Strategie. So soll die Abscheidung von CO2 in der Industrie künftig ermöglicht werden. Im Fokus stehen dabei die Zement- und Kalkindustrie sowie die thermische Abfallbehandlung. Aber auch Gaskraftwerke können in der Übergangsphase CCS zur Stromerzeugung einsetzen, was die Erreichung der Klimaziele in der Transformationsphase erleichtern wird—auch, wenn diese keine Förderung erhalten werden.
In diesem eng gesteckten Rahmen für die Anwendung und Förderung von CCUS vermisst man den von Minister Habeck angekündigten Pragmatismus. Die Industrial Carbon Management Strategie der EU-Kommission vom 6. Februar 2024 ist hier wesentlich offener und weniger restriktiv.
Kontakt:
Johanna Brandtner