Gemeinsames Positionspapier | 3. Dezember 2024
Eine ROHSTOFF-AGENDA für Deutschland: „Versorgung durch heimische Rohstoffgewinnung sichern“
Rohstoffsicherheit ist in den letzten Jahren zu einer zentralen strategischen Herausforderung geworden. Geopolitische Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit und ihre Auswirkungen auf unsere Volkswirtschaft haben nur zu deutlich gemacht, dass für den Industriestandort Deutschland die sichere und bezahlbare Versorgung mit mineralischen und energetischen Rohstoffen von größter Bedeutung ist.
Kritische Abhängigkeiten von China, Russland, Belarus und anderen Rohstofflieferanten sind ein Risiko und stellen die deutsche Wirtschaft vor erhebliche Herausforderungen. Dabei ist klar: Die sichere und ausreichende Versorgung mit Rohstoffen und Bodenschätzen ist für ein import- und exportorientiertes Industrieland wie Deutschland unabdingbar. Nur so kann die Wirtschaft zu Wertschöpfung sowie Wohlstand beitragen und den Menschen Güter aller Art zur Verfügung stellen. Nur so kann die Industrie wichtige Aufgaben im Rahmen der nachhaltigen Entwicklung wie Energiewende oder Digitalisierung wahrnehmen und global eine auskömmliche Ernährung sicherstellen; und nur so können wir durch ökonomische und sicherheitspolitische Autarkie und Resilienz eine liberale, freiheitliche und auf sozialer Marktwirtschaft basierende Gesellschaft sichern.
Die heimische Rohstoffgewinnung spielt dabei eine entscheidende Rolle. Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte ist die Nutzung von Ressourcen deutlich effizienter geworden. Auch die Ressourcenschonung und das Recycling wurden gestärkt und sind weiter zu stärken. Dennoch wird ein Großteil des steigenden Rohstoffbedarfs weiterhin durch Primärrohstoffe gedeckt werden müssen. Einen Teil davon importiert Deutschland aus zum Teil unsicheren Staaten. Zur Minderung dieser Abhängigkeiten ist eine sichere Versorgung durch heimische Rohstoffe erforderlich, auch um Lieferketten zu diversifizieren.
Um die Versorgungs- und Preisrisiken nachhaltig zu senken, muss die heimische Rohstoffgewinnung deutlich stärker als bisher unterstützt, gefördert und vorangebracht werden. Es gilt jetzt, die Gewinnung von unverzichtbaren Rohstoffen wie Kali und Salz, Steine und Erden, Sande, Kies, Naturstein, Kalk- und Gipsgestein, Ton, aber auch von energetischen Rohstoffen wie Erdgas, Erdöl und Braunkohle wirksam zu unterstützen und zudem neue heimische Rohstoffvorkommen wie beispielsweise Lithium erschließen. Jede Tonne heimisch geförderter Rohstoff ist dabei sowohl ein essenzieller Beitrag zur Versorgungssicherheit als auch zur Nachhaltigkeit.
Die ökologischen und ökonomischen Vorteile von Deutschland als „Rohstoffgewinnungsland“ liegen dabei auf der Hand:
- Heimische Rohstoffgewinnung garantiert die Einhaltung der weltweit höchsten Standards im Umwelt-, Natur- und Gewässerschutz, dem Klimaschutz sowie dem Arbeits-, Sozial- und Gesundheitsschutz.
- Sie sichert – auch und gerade in den politisch unsicheren Zeiten – die Versorgungssicherheit.
- Sie ist unverzichtbare Grundlage zahlreicher inländischer Wertschöpfungsketten und schafft hochwertige Arbeitsplätze vor Ort.
- Klimaschädliche Transportwege verkürzen sich im Vergleich zu Importen.
- Der Export deutscher Bergbautechnologie zur Steigerung nachhaltiger Rohstoffgewinnungsprozesse im Ausland wird erleichtert.
- Heimische Rohstoffe – z.B. Spezialtone, Kaolin, Quarzrohstoffe, Fluss- und Schwerspat sowie Stein- und Kalisalze, Erdgas, Erdöl und Braunkohle, aber auch Kupfer, Zinn und Lithium – leisten auch einen strategischen Anteil in der europäischen Industrie, um beispielsweise die Transformation zu ermöglichen.
- Die heimische Förderung von Erdgas und Erdöl hat ihren Platz, solange diese Energie-träger in Deutschland genutzt werden; denn sie reduziert alternativ erforderliche Importe. Das ist nicht nur wirtschaftlich attraktiv, sondern sie hat auch eine deutlich bessere CO2-Bilanz als importierte LNG-Mengen.
Um die heimische Rohstoffgewinnung zu stärken und abzusichern, halten wir folgende Aspekte für unabdingbar:
1. Die Akzeptanz von Rohstoffgewinnung muss politisch unterstützt werden.
Rohstoffe braucht und gebraucht jeder. Die oben genannten Zusammenhänge sind vielen Menschen bewusst. Dennoch müssen Unternehmen, Politik und Behörden sie den Menschen immer wieder vor Augen halten. Wir müssen – wo Recycling nicht ausreichend zur Versorgung beitragen kann – fortlaufend für die Akzeptanz heimischer Rohstoffgewinnung und -verarbeitung in der Bevölkerung werben.
Dabei ist die gesamte Bandbreite der Rohstoffe im Blick zu behalten. Als strategisch oder kritisch eingestufte Rohstoffe stehen derzeit oft im Mittelpunkt der Diskussion. Trotzdem dürfen weitere Rohstoffe dabei nicht „hinten runterfallen“ und gerade dadurch künftig „kritisch“ werden. Wir sollten die heimischen Rohstoffe nicht in Rohstoffe erster und zweiter Klasse unterteilen.
Damit ist die Hoffnung verbunden, im Zusammenwirken mit einer frühzeitigen und transparenten Kommunikation der Unternehmen für konkrete Rohstoffvorhaben eine „Not In My Backyard“-Attitüde vielfach zu vermeiden und die dringend notwendigen Innovationen zu ermöglichen.
Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Produktion von Rohstoffen mit einem Eingriff in Natur und Landschaft verbunden ist. Deutschland hat im internationalen Vergleich höchste Auf-lagen und Anforderungen, diese Eingriffe zu minimieren und auszugleichen (z. B. durch Renaturierung, Flächenausgleich, Berücksichtigung des Arten- und Naturschutzes, Förder- und Umsiedlungsprogramme für bedrohte Arten, etc.). Die heimische Rohstoffgewinnung steht zu dieser Verantwortung. Sie geht mit ihren Vorhaben transparent und dialogorientiert auf die Menschen im Land zu und setzt die Vorhaben im Konsens mit den regionalen Anforderungen um. Sie hat in der Vergangenheit und bis heute gezeigt, dass sie mit den Folgen des Bergbaus verantwortungsvoll umgeht und sich in der Folgenutzung engagiert. Aber: Der heimische Rohstoffabbau muss politisch gewollt sein!
2. Der Zugang zu Lagerstätten muss gesichert werden.
Ein Rohstoff lässt sich nur dort gewinnen, wo er lagert. Seine Gewinnung lässt sich nicht an einem anderen Ort durchführen. Die dafür notwendigen und verhältnismäßig sehr kleinen Flächen (rund 0,4 % des Bundesgebiets) müssen langfristig gesichert sein. Sie dürfen nicht anderweitig überplant oder genutzt werden. Andernfalls sind die Bodenschätze für den Abbau in der Regel dauerhaft verloren.
Politik, Behörden und Unternehmen müssen deshalb den Zugang zu Rohstofflagerstätten und die Abbaugebiete für mineralische und energetische Rohstoffe konsequent raumordnerisch sichern. Die Landesplanungsbehörden müssen die Lagerstätten vor dem Zugriff durch andere Raumnutzungsansprüche schützen, und zwar langfristig und unabhängig vom Bedarf in bestimmten Zeiträumen. Anschließend müssen sie die Rohstofflagerstätten zugänglich halten. Eine konsequente Unterstützung der Rohstoffsicherung als überragendes öffentliches Interesse durch den Bund – zum Beispiel im Raumordnungsrecht – ist notwendig.
3. Energie- und Klimapolitik darf nicht zu Wettbewerbsnachteilen für die heimische Produktion führen.
Die deutsche und die europäische Politik sind Vorreiter im Bereich Klimaschutz. Sie haben für die kommenden Jahrzehnte entsprechend ehrgeizige Ziele zur CO2-Reduktion gesetzt. Zur Erreichung dieser Ziele sieht die Politik eine umfangreiche Transformation der Industrie und Energiewirtschaft vor. Wettbewerbsländer außerhalb Deutschlands und Europas bleiben allerdings weit hinter diesen Ambitionen zurück. Es ist daher dringend erforderlich, dass die Politik die Frage der Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Produzenten stärker in den Blick nimmt und gleiche Wettbewerbsbedingungen gegenüber internationalen Anbietern schafft, indem Importe und in der EU hergestellte Produkte gleichen Klimaschutzauflagen unterliegen.
Unverzichtbar sind in diesem Zusammenhang ein umfassender Carbon-Leakage-Schutz für die betroffenen Betriebe sowie die Sicherstellung der Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen. Die ursprünglich politisch beabsichtigte Verteuerung von Energie ist überholt worden von markt- und investitionsbedingten massiven Preiserhöhungen; damit stößt der Preis als Klimaschutzinstrument mittlerweile an seine Grenzen. Bei den Unternehmen entstehen Mehrkosten, die sehr oft nicht weitergegeben werden können.
4. Genehmigungsverfahren müssen die rechtssichere Durchführbarkeit der Rohstoffgewinnung ermöglichen.
Wer heimische Rohstoffgewinnung und Bergbau ermöglichen will, muss für ein geeignetes rechtliches Instrumentarium zur behördlichen Genehmigung sorgen. Das Bundesberggesetz hat sich mit seiner jahrzehntelangen Verwaltungspraxis hierzu bewährt. Im Verbund mit insbesondere umweltrechtlichen Anforderungen garantiert es, dass die Belange der betroffenen Menschen in der Nachbarschaft, der Natur sowie des Arbeitsschutzes umfassend und gut geprüft werden, bevor Bergbau beginnen kann. Es findet eine angemessene Abwägung zwischen den Zielen und dem Nutzen der Rohstoffgewinnung und -versorgung einerseits und damit unter Umständen kollidierenden Interessen statt. Eine mögliche Weiterentwicklung des Bundesberggesetzes sollte die Erleichterung von Rohstoffprojekten im Fokus haben.
Die heimische Rohstoffsicherung ist in der Raumordnung umfassend zu stärken. Der Rohstoffgewinnung ist eine gesetzliche Priorisierung einzuräumen, damit Bedarfe rechtzeitig gedeckt und die Rechts- und Planungssicherheit für Gewinnungsbetriebe deutlich erhöht werden können. Nachgewiesene Rohstofflagerstätten müssen im Raumordnungsrecht durch eine zusätzliche Regelung bedarfsunabhängig und langfristig gesichert werden und dürfen weder kommunal noch überregional überplant werden.
Wie andere Industriezweige auch braucht die Rohstoffgewinnung effiziente Genehmigungsverfahren und kompetente Genehmigungsbehörden mit ausreichend starker personeller Ausstattung, die Genehmigungsverfahren vollständig in einer qualifizierten Hand bündeln können. Der EU Critical Raw Materials Act verfolgt diesen Zweck für bestimmte, als strategisch eingestufte Rohstoffe. Er ist ein erster Schritt, der noch auf weitere Rohstoffe zu erstrecken ist und auch inhaltlich weiterentwickelt werden muss, damit nicht noch weitere Bodenschätze später „kritisch“ werden. Wir fordern, die Rohstoffgewinnung insgesamt als im „überragenden öffentlichen Interesse“ stehend einzustufen. Nur so wird es langfristig möglich sein, eine nachhaltige Rohstoffsicherung und Versorgung für Deutschland und Europa zu ermöglichen.
Wir fordern die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren. Verfahrensbeschleunigungen müssen dabei für die gesamte Industrie gelten und eben nicht nur für die Errichtung von Erneuerbaren-Energien-Anlagen. Es geht darum, viel häufiger den vorzeitigen Beginn von Vorhaben zuzulassen, unnötige Erörterungstermine zu vermeiden und die vielfach beklagte „Gutachtenflut“ zu bekämpfen, ggf. auch durch eine Vereinfachung des materiellen Umweltrechts.
Hinderlich wären jedenfalls weitere deutliche Verschärfungen des Umweltrechts wie etwa die geplante EU-Boden-Monitoring-Richtlinie. Dieser Entwurf, der sich ganz und gar nicht auf Monitoring beschränkt, bezeichnet die Bodenentnahme und damit die Rohstoffgewinnung fälschlicherweise und pauschal als Bodenzerstörung.
5. Nachfolgenutzungen zügig ermöglichen
Die Rekultivierung von Bergbauflächen ist bereits operativer Bestandteil jedes bergbaulichen Betriebs und erfolgt in der Regel schrittweise und parallel mit dem Abbaufortschritt. Als Nachfolgenutzung entstehen so Naturschutzflächen, Biotope, Flächen für die Land- und Forstwirtschaft, Gewässer, Verkehrswege und Naherholungsgebiete, die von der Bevölkerung als wertvolle Kulturlandschaften angenommen und geschätzt werden. Ebenso werden langfristige Nutzungskonzepte für ehemalige Bergbauflächen und -gebäude entwickelt, um zusätzlich einen wichtigen Beitrag zum regionalen Strukturwandel zu leisten. Dabei liegt es auch im Interesse der Kommunen, dass der Übergang zu einer Folgenutzung der Flächen des Bergbaus – wo es möglich ist – in einem überschaubaren Zeitrahmen erfolgt.
Ein Beispiel für die sinnvolle Folgenutzung ist die energetische Nutzung von Grubenwasser, die an manchen Standorten des Nachbergbaus auch einen Beitrag zur Wärmewende leisten kann. Potenziale bestehen in allen Bergbauregionen, insbesondere in den ehemaligen Steinkohlerevieren in NRW, im Saarland und in Sachsen. Unabdingbar ist, dass das Grubenwasser in diesen Fällen nicht als Abwasser qualifiziert wird und – wie auch in anderen Fällen sinnvoll genutzten Wassers – keine Wasserentnahmeentgelte erhoben werden.
Unsere Unternehmen nehmen die Verantwortung des Nachbergbaus ernst. Wir brauchen nach dem Abschluss der Rohstoffgewinnung einen zügigen Übergang zu einer Nachnutzung der wieder nutzbar gemachten Flächen in Absprache mit Grundeigentümern, Rohstoffunternehmen und Kommunen.
6. Sozial- und Umweltstandards
Die Beschäftigten in der heimischen Rohstoffgewinnung arbeiten unter den weltweit höchsten Sicherheits- und Arbeitsschutzstandards. Als Arbeitgeber übernehmen wir Verantwortung für komplexe Arbeitsabläufe und tragen dafür Sorge, dass unsere Beschäftigten während und nach ihrem Arbeitsleben gut versorgt sind.
Die Politik muss dies anerkennen, kommunizieren und aus sozialen, ökologischen und wettbewerblichen Gründen international zum Standard erheben.
7. Know-how erhalten und zukunftsfähig machen
In der heimischen Rohstoffproduktion arbeiten derzeit rund 160.000 direkt und indirekt Beschäftigte. Hinzu kommen angesichts eng verzahnter, teilweise integrierter Wertschöpfungsketten deutlich über 100.000 weitere Beschäftigte, etwa in der Baustoffproduktion. Diese Menschen sind nicht nur Teil der hiesigen Wertschöpfung, von der das Land, die Kommunen und unsere Gesellschaft insgesamt profitieren. Ihre Arbeit trägt außerdem zu einen Veränderungsprozess bei, in dem Kenntnisse und Fähigkeiten für künftige Aktivitäten – wie zum Beispiel die Erzeugung und Speicherung von klimaneutralen Energieträgern – gefragt sein wird.
Das Know-how der rohstoffgewinnenden Industrie ist heimisch zu sichern und zukunftsfähig fortzuentwickeln.
Die Bundesregierung hat sich in den vergangenen Jahren intensiv mit den Herausforderungen der Rohstoffversorgung befasst und wichtige Vorhaben insbesondere im Ausland und bei der Kreislaufwirtschaft angestoßen. Allerdings haben sich die Rahmenbedingungen für die heimische Rohstoffgewinnung in dieser Zeit zunehmend verschlechtert. Eine neue Bundesregierung muss deshalb schnell eine ambitionierte und kohärente Strategie zur Stärkung der heimischen Rohstoffgewinnung vorlegen. Dazu muss auch die Rohstoffpolitik für die heimische Gewinnung eine zentrale Rolle in der neuen Bundesregierung einnehmen. Konterkarierende und nicht praxistaugliche Ansätze, wie die in der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie vorgesehene pauschale Halbierung des Primärrohstoffaufkommens, sollten entsprechend korrigiert werden.
Berlin, November 2024
Das vollständige Positionspapier als Download:
Unterstützer des Positionspapiers:
Verband der Kali- und Salzindustrie e.V.
Bundesverband Baustoffe- Steine und Erden e.V.
Vereinigung Rohstoffe und Bergbau e.V.
Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie e.V.
Kontakt:
Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie e.V. (BVEG)