Umwelt & Sicherheit | 17. September 2021
#Energiewende#Geothermie#Technik & Sicherheit
Geothermische Verfahren
In der Tiefengeothermie gibt es hauptsächlich zwei geothermische Verfahren: die hydrothermale Geothermie und die petrothermale Geothermie. Bei der hydrothermalen Geothermie werden Lagerstätten in Tiefen von etwa über 400 bis 4.500 Metern genutzt, in denen Thermalwasser natürlicherweise zirkulieren kann. In der petrothermalen Geothermie erschließt man Erdwärme aus kompaktem, heißem Tiefengestein.
Zusätzlich unterscheidet man in der Tiefengeothermie Lagerstätten mit hohen und niedrigeren Temperaturen: die weltweit verbreiteten Lagerstätten der Hochenthalpie weisen hohe Temperaturen ab circa 200° Celsius auf. In Deutschland gibt es keine klassischen Reservoirs der Hochenthalpie. Die Geothermie fokussiert sich hier auf Niederenthalpie-Lagerstätten mit nur relativ niedrigen Temperaturen von unter 150° Celsius meist zur Wärmeversorgung, teilweise zur Stromerzeugung.
Hydrothermale Geothermie – natürliche Lagerstätten mit Thermalwasser
In der hydrothermalen Geothermie nutzt man natürliche Reservoirs mit zirkulierendem Thermalwasser. Dieses steht im tieferen Untergrund unter hohem Druck, so dass es nach Anbohren der thermalwasserführenden Gesteinsschicht im Bohrloch selbst nach oben steigt. In den meisten Fällen kommen zusätzlich Pumpen zum Einsatz. Die hydrothermalen Vorkommen befinden sich hauptsächlich in miteinanderverbundenen Poren des Gesteins. In der Regel haben Geothermieanlagen ein oder mehrere Bohrungspaare (sogenannte Dubletten) mit je einer Förderbohrung und einer Reinjektionsbohrung. Durch eine Reinjektionsbohrung wird das genutzte, abgekühlte Thermalwasser wieder in die wasserführende Gesteinsschicht zurückgeleitet, um den Grundwasserhaushalt auszugleichen. Hydrothermale Lagerstätten sind für die Geothermie in Deutschland hauptsächlich in den drei Gebieten Molassebecken in Südbayern, Oberrheingraben sowie Norddeutsches Becken vorhanden und bereits in größeren Tiefen erschlossen.
Petrothermale Geothermie: heißes Tiefengestein wassergängig machen
In 4.000 bis 5.000 Metern Tiefe kann der Untergrund auch in Deutschland Temperaturen von mehr als 150° aufweisen. Bei der petrothermalen Geothermie wird das geringporige und wenig geklüftete, heiße Gestein (Tiefengesteine, Kristallingesteine, dicht gelagerte Sedimentgesteine) über hydraulische Stimulationsverfahren wassergängig gemacht. Um das kompakte Gestein aufzubrechen, lassen die Betreiber mittels Bohrungen kaltes Wasser in den tiefen Untergrund pressen. So entstehen feine Risse oder Klüfte im Gestein, durch die das Wasser zirkulieren und sich erhitzen kann. Durch die neu geschaffenen Wegbarkeiten zwischen den Bohrungen entsteht ein Wasserkreislauf, über den das vom Gestein aufgeheizte Wasser wieder nach oben gepumpt und energetisch genutzt werden kann.
Von Enhanced Geothermal Systems bis hin zu Hydraulic Fracturing
Für die Verfahren der petrothermalen Geothermie werden viele Begriffe synonym verwendet. Gängig sind Enhanced Geothermal System (EGS) oder auch Engineered Geothermal Systems. Nicht mehr ganz aktuell sind Begrifflichkeiten wie Hot-Dry-Rock (HDR), Hot-Wet-Rock (HWR) oder Deep Heat Mining (DHM). Das Ausweiten vorhandener Klüfte durch Verpressen von Wasser in das kompakte Gestein ist das wichtigste Erschließungsverfahren und wird auch Hydraulische Stimulation bzw. Hydraulic Fracturing (Fracking) genannt. In petrothermalen Systeme wird Erdwärme über zirkulierendes Wasser entnommen: An den Bohrungen werden Wegbarkeiten (erweiterte oder neue Klüfte) erzeugt, die diese in Reservoirtiefe verbinden. So kann das Wasser zwischen den Bohrungen zirkulieren, dort die Wärme aus dem Gestein aufnehmen und wieder an die Oberfläche gebracht werden.
Tiefe Erdwärmesonden: Gestein als Wärmetauscher
Bei tiefen Erdwärmesonden handelt es sich um einzelne Tiefbohrungen von 400 bis zu 3.000 Metern Endteufe. Um Erdwärme zu gewinnen, wird ein Wärmetauscherrohr installiert. Hierbei zirkuliert in der tiefen Erdsonde ein Wärmeträgerfluid in einem geschlossenen System. Das Fluid, zum Beispiel Wasser, wird durch den äußeren Ringraum des Koaxialrohrs in die Tiefe geführt. Das heiße Gestein erwärmt dabei das in der Bohrlochwand vorbeifließende Wärmeträgerfluid. Dieses gelangt über eine isolierte Steigleitung im Innenraum der Bohrung wieder an die Oberfläche – die gewonnene Energie kann direkt als Wärme genutzt werden, zum Beispiel als Prozesswärme für die Industrie oder für Anwendungen im Agrarsektor.
Kontakt:
Ingo Forstner